Bitte nicht füttern!

Jessica Winter
Wasservögel füttern hat einen faden Beigeschmack!
Abends am Kaiserwasser. Wir versuchen wieder einmal ein paar Skyline-Fotos von der Donaucity zu machen, stehen mit den Kameras auf Stativen montiert und warten auf die „blaue Stunde“. Ein älterer Herr kommt mit, ohne Untertreibung, drei prall gefüllten Einkaufssäcken in der Hand, die Böschung zum Wasser heruntermarschiert. Enten und Schwäne erkennen ihn offenbar und kommen eiligst herangepaddelt. Am Ufer angekommen, leert der rührige Herr den gesamten Inhalt der Plastiksackerl ins Wasser: Ganze Laibe Weißbrot, Schwarzbrotscheiben, Semmeln und derlei Weckerl und – kaum zu glauben – ziemlich vergammelte, verschimmelte Reste von Pizzabrot treiben wie kleine Schiffchen Richtung Wassermitte. Weder Schwäne noch Enten haben ausreichend Hunger oder Appetit bzw. Lust um alles zu verfuttern. Irgendwann sinken die Brotmengen an den Grund. „Jetzt frein sie die Fisch‘!“, sagt der nette Herr, lächelt uns zu und geht von dannen. Wir bleiben ziemlich sprachlos zurück...

Seit geraumer Zeit stehen Infoschilder an einigen Stellen der Alten Donau und einigen weiteren Plätzen der Wiener Gewässer, die auf das Fütterverbot von Wasservögeln hinweisen. Aber warum eigentlich? Hierfür sprechen mehrere Gründe: Die Wasservögel gewöhnen sich daran, vom Menschen gefüttert zu werden und verlieren nicht nur die Scheu vor dem Menschen, sondern auch ihre Bereitschaft, eigenständig nach Nahrung zu suchen. Weißbrot und Nahrungsabfälle sind jedoch kein natürlicher Nahrungsbestandteil von Enten, Gänsen und Schwänen und enthalten viel Salz, welches den Stoffwechsel der Tiere aus dem Gleichgewicht wirft. Oftmals werden auch bereits angeschimmelte Nahrungsmittel verfüttert, die den Vögeln schaden und sogar zu einem qualvollen Tod führen können.

Kanada Gänse in der Alten Donau

Natürlich ist es nicht schlimm, wenn eine Ente ein kleines Stück Brot zu sich nimmt. Doch vor allem die Menge, die in Parks verfüttert wird, darf man nicht unterschätzen. Eingangs erzählte Story ist beileibe kein Einzelfall! Besonders an schönen Tagen kommen viele Menschen an die Wiener Gewässer und füttern die Wasservögel. Das kann sich dann ganz schön summieren.

Stockente taucht nach Nahrung

Die große Verfügbarkeit von Nahrung führt allerdings auch dazu, dass es an vielen Gewässern zu unnatürlich großen Vogelversammlungen kommt. Das kann leicht zur Übertragung von Seuchen und Krankheiten führen. Viel Nahrung führt außerdem zu viel Nachwuchs und die Zahl der Wasservögel nimmt stetig zu. Allein die Wasservögel an der Alten Donau verfuttern jährlich über 200 Tonnen Wasserpflanzen, die ihrerseits wieder für das Filtern von Schwebteilchen im Wasser ganz wesentlich beitragen. Auch andere Tiere wie Ratten und Mäuse werden von übrig gebliebenen Futterresten angezogen.

Aber nicht nur den Tieren selbst schadet die Fütterung – ein Großteil des Futters wird gar nicht gefressen und landet am Boden der Gewässer. Zusammen mit dem Kot der Wasservögel sinken die Brotreste zu Boden und verfault dort. Durch die biologischen und chemischen Prozesse des Abbaus wird sehr viel Sauerstoff verbraucht und der Sauerstoffgehalt des Gewässers sinkt stark, wodurch es zum Sterben von Fischen und Pflanzen kommt. Dann spricht man von einer Eutrophierung oder dem Umkippen des Gewässers. Vor etwa 20 Jahren passierte das auch der Alten Donau, die sich mit etwa 200.000 Badegästen als einer der Hauptanlaufstellen für ein erfrischendes Bad an heißen Sommertagen großer Beliebtheit erfreut. Die Erhaltung der Wasserqualität der Alten Donau ist ein aufwändiges und kostspieliges Unterfangen, das glücklicherweise von der EU unterstützt wird. Man muss dies nicht unbedingt mittels falsch verstandener Tierliebe konterkarieren.

Einer der ganz unumgänglichen Maßnahmen in diesem Zusammenhang war der aktuelle durchgeführte (März-Juni 2016) Bau eines Bodenfilters im Wasserpark. Es mutete ein wenig skurril an, dass genau dieser Bau den Zorn einiger Tierliebhaber auf sich zog, die sich um den Bestand der zahlreichen Wasservögel sorgten. Ein Umstand, der sich mittlerweile aber aufgeklärt hat.

Brütendes Höckerschwan Paar nahe der Reichsbrücke

Doch der Kot der Wasservögel landet nicht immer nur im Wasser, auch die Wege und Liegewiesen rund um das Gewässer werden durch die große Anzahl der Wasservögel häufig verschmutzt. Viele Menschen erfreuen sich ob der Gegenwart der eleganten Schwäne. Man darf aber nicht vergessen, dass diese eine völlig unnatürlich hohe Bestandsdichte in Wien aufweisen. Es ist nicht allzu lange her, da gab es im Stadtgebiet gar keine Schwäne zu sehen. Sie waren zu scheu und brüteten, wenn überhaupt, in den Au-Gebieten vor der Stadt. heute findet man brütende Höckerschwäne sogar bei der stark frequentierten U-Bahnstation der Linie U1 Donauinsel.

Höckerschwan Familie an der Alten Donau

Umgekippte Gewässer, verschmutzte Gehwege und genervte Anwohner – das führte in der Vergangenheit so weit, dass Gänse in Stadtparks anderer Länder sogar zum Abschuss freigegeben wurden (Beispiel München, Bottrop, Essen). Eine traurige Folge, die vermutlich so gar nicht im Sinne der wohlmeinenden aber leider unbedachten Verursacher war.

Also bitte, bitte: Freut euch über die vielen Wasservögel der Stadt, nehmt eure Kameras mit und macht von ihnen schöne Fotos, versucht ihre Art zu bestimmen oder ihre Stimmen zu imitieren – aber lasst sie ihr eigenes Futter finden. Es ist besser für alle Beteiligten des „Biotopes Großstadt“, nämlich für Mensch und Tier!

Text: Jessica Winter, Fotos: WIENER WILDNIS

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